Der Tag X (German Edition) by Kerr Philip

Der Tag X (German Edition) by Kerr Philip

Autor:Kerr, Philip [Kerr, Philip]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2012-11-30T23:00:00+00:00


Sobald er in seinem Zimmer im Georgetown Marbury in Washington war, griff Nimmo zum Telefon und wählte NA 8 - 1414. Auf sein Ersuchen wurde der Anruf zu Murray Weintraub im Ostflügel des Executive Mansion durchgestellt. Während er wartete, starrte Nimmo durchs Fenster seines komfortablen, aber düsteren Zimmers auf den Hotelhof und den Chesapeake-Ohio-Kanal dahinter. Schon jetzt drückte Georgetown auf seine Stimmung wie vier Wochen Dauerregen. Wie konnte irgendwer an einem solchen Ort wohnen?

Weitere zwei Minuten vergingen. Er schraubte die Kappe von einem Mini-Fläschchen Scotch, setzte das trillerpfeifendicke Hälschen an und leerte das Ding, als wäre der Inhalt allenfalls so hochprozentig wie gebrauchsfertig verdünntes Mundwasser. Diese Mini-Flaschen hatten etwas so Unechtes, so Spielzeughaftes, wie Accessoires aus einer überdimensionalen Puppenstube, dass es ihm schwerfiel, sie ernst zu nehmen, fast als müsste die Wirkung des Alkohols irgendwie im direkten Verhältnis zur Größe der Flasche stehen.

Als Murray Weintraub schließlich dran war, verlief ihr Gespräch kurz und direkt.

«Ich bin hier», sagte Nimmo.

«Okay, mein Dienst endet um zehn. Ich hole dich um zwanzig nach zehn vor dem Marbury ab.»

Das Georgetown Marbury war ein kleines Hotel im Kolonialstil, aus rotem Backstein wie fast alles in Georgetown, und Weintraub war pünktlich zur verabredeten Zeit vor dem Ausgang zur M Street. Die beiden waren alte Freunde. Der Secret Service unterstand dem Finanzministerium, und ehe Weintraub 1952 zum Präsidentenschutz gekommen war, hatte er bei der New Yorker Dienststelle des Secret Service gearbeitet und darüber Jimmy Nimmo kennen gelernt. Gemeinsam hatten Weintraub und der damalige FBI-SAC an der Aufklärung eines großen Falschgeldfalls mitgewirkt, in den Bankangestellte verwickelt waren und angeblich sogar Albert Einstein. Hoover verdächtigte den Physiker, eine Maschine zur perfekten Reproduktion von Dollarnoten erfunden zu haben, um dadurch das gesamte Gebäude des amerikanischen Kapitalismus zu unterminieren. Das war nur eine der vielen absurden Anschuldigungen gegen Einstein, denen Hoover hatte glauben wollen, für die aber nie Beweise erbracht werden konnten.

Es war ein feuchtkalter Abend. Die baumgesäumten Kopfsteinpflasterstraßen von Georgetown waren glitschig von Novemberlaub. Beide Männer trugen feste Schuhe, warme, regenfeste Mäntel und Filzhüte.

Es heißt oft, dass Herr und Hund oder sonstige in enger Symbiose lebende Geschöpfe einander immer ähnlicher werden. Das galt auch für Murray Weintraub, der aussah wie Präsident Eisenhower – oder zumindest wie ein jüngerer Eisenhower, der Eisenhower, der 1943 zum Oberkommandierenden der alliierten Expeditionstruppen ernannt worden war. Weintraub hatte etwas mehr Haare, die hell waren, aber dieselbe breite Nase und rosige Gesichtsfarbe, denselben breiten, missvergnügten Mund. Als körperlich gut trainierter Achtundvierzigjähriger hatte er auch die gleiche militärisch-straffe Haltung wie der General. Sie marschierten westwärts, in Generalrichtung Universität.

«Und? Wie läuft’s beim Secret Service?»

«Nicht gut. Was mit der Kommandostruktur zu tun haben mag. Ich frage dich, wie viele Länder haben einen Secret Service, der einem Geschäftsmann untersteht statt einem Polizisten oder Soldaten, jemandem mit Geheimdiensterfahrung? Unser Chef ist der Finanzminister, George M. Humphrey, Ex-Präsident der Mark A. Hanna Company, Cleveland. Ganz netter Bursche im Grund. Er und Ike verstehen sich prima. Aber er hat keine Ahnung von der Welt der Geheimdienste. Und wir auch nicht. Momentan leben wir noch von unserem Ruf, aber selbst der droht so langsam vor die Hunde zu gehen.



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